Ikonenkurs

   Kunst als Praxis: meine Auswahl in diesem Kapitel ist außerordentlich restriktiv. Ich habe die Musik ganz beiseite gelassen, obwohl sie bei uns täglich gegenwärtig ist. Nicht alles eignet sich für eine Website. So ist es, das ist der Charme des Ephemeren. Deshalb beschränke ich mich hier auf zwei kürzlich gemachte Erfahrungen, die  etwas Neues zu meinem Verständnis beigetragen und meine Perspektive verändert haben. Es handelt sich um die Ikonenmalerei auf der einen, um die chinesische Kalligraphie auf der anderen Seite, zwei geistige Künste, deren jeweilige Technik den exakten  Ausdruck ihrer Zielrichtung darstellt. Der hieratische, zeitlose und statische Charakter der ersten, und der von der Bewegung und dem Augenblick bedingte der zweiten scheinen sie zu Gegensätzen zu machen. Und doch zentralisieren beide unsere Kräfte und öffnen sie einer Dimension, die wir mit den üblichen Mitteln nicht erreichen, weil sie über die unmittelbare menschliche Wahrnehmung hinausgeht.

   Ich bin der in der Schweiz exilierten georgischen Malerin, Kunsthistorikerin, Ikonenspezialistin und –restauratorin Nina Gamsachurdia 2004 bei der Ausstellung ihrer Werke in der Tonhalle von Zürich begegnet. Diese mit Mineralpigmenten auf Holz gemalten Bilder, die eine jahrhunderte alte Technik und eine ganz moderne, originale künstlerische Sprache miteinander verbinden, haben mich stark beeindruckt. In ihrer träumerische Innerlichkeit wohnen Freude und Leid nah zusammen und vertiefen einander .


    Kurz nach diesem ersten Treffen habe ich Nina eine bulgarische Ikone anvertraut, die sie wunderbar restauriert hat. Seither habe ich an drei ihrer Ikonenkurse in Basel teilgenommen. In sechzehn bis zwanzig Tagen von je drei bis vier Arbeitsstunden unterrichtet sie den Teilnehmern die Kunst der Ikonenmalerei so, wie sie sie selbst in einem georgischen Kloster gelernt hat. Zwei, drei, bis sechs Personen nehmen jeweils an diesen Kursen teil. Friedliche Tage, man lernt sich kennen und schätzen, jeder gibt sein Bestes unter ihrer aufmerksamen, kompetenten und freundlichen Anleitung.


    Jedes Mal beginnt man mit einem rohen, mindestens fünf Jahre gelagerten Lindenbrett, das wir mehrere Tage lang mit einer Mischung aus Hasenleim und Kreide bestreichen und wieder abschmirgeln, bis es glatt und glänzend wird wie eine Marmorplatte. Dann pausen wir das Modell ab und mischen die Farben aus Erd- und Mineralpigmenten und natürlichen Binde- und Konservierungsmitteln – in unserem Fall Eigelb und Bier. Die Ikonenmalerei besteht in einer ständigen Dialektik zwischen Form und Farbe: die Zeichnung wird mehrfach ganz überdeckt. Drei Schichten werden aufgetragen, und jedes Mal werden die Striche nachgezeichnet. Schließlich wird Goldblatt aufgelegt und die Seiten und die Rückseite der Ikone gelackt. Ganz zum Schluss kommt der Firnis, der alle Schichten miteinander verbindet. Die Technik ist alt und nach strengen Regeln  festgesetzt, und trotzdem bleibt genug Freiheit für die Ausführenden. Selbst diejenigen, die einem gleichen Model gefolgt waren, hatten am Ende eine ganz persönliche Ikone.


    Nina hatte mir einmal während des ersten Kurses beiläufig gesagt: „Du wirst sehen, die Ikonen haben eine seltsame Macht. Die Energie, die Du da hineinsteckst kommt Dir verdoppelt wieder zurück.“ Sie hat Recht behalten.

Ninas Website mit eigenen Bildern, Ausstellungsterminen und ausführlichen Erklärungen dessen, was ich hier nur angesprochen habe:
www.nina-gamsachurdia.ch


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Enkaustik Kurse

Die Enkaustik ist eine sehr alte Maltechnik, die ihre Blütezeit in der griechisch-römischen Antike hatte. Die ersten Ikonen waren ebenfalls mit Enkaustik gemalt. In diesem Fall werden die in Wachs gebundenen Farbpigmente heiss auf den Malgrund aufgetragen. Das bedeutet, dass es schnell gehen muss und man dabei kein Recht auf Irrtum hat: die Wachsschicht trocknet rasch und verträgt kaum Korrekturen. Die Enkaustik Kurse bei Nina Gamsachurdia dauern im Allgemeinen einen Tag und sind voll von Überraschungen.

 

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